Und wieder werden Kieler Kleingärten zerstört
Daß wieder einmal ein großer Umbau des Kieler Holstein-Stadions geplant ist, wird den meisten Einwohnern der Landeshauptstadt bekannt sein. Die traditionsreiche Spielstätte der „Störche“ ist seit ihrer Entstehung ständig verändert und umgebaut worden, wobei die Umbauten teilweise aus einer Art Wettrüsten mit den immer strenger werdenden Auflagen des DFB und der Behörden resultieren. Der aktuell geplante Umbau wird nun aber solche Ausmaße annehmen, daß dafür ein eigener Bebauungsplan notwendig ist.
Dieser Bebauungsplan – der sich gegenwärtig offiziell noch in einem frühen Stadium des Bauleitplanverfahrens befindet – umfaßt nun nicht nur das Areal des Stadiums, sondern auch einige nördlich angrenzende Flächen, welche Überreste des Kieler Grüngürtels darstellen. Dort liegen unter anderem auch zwei Kleingartenanlagen, mit Namen „Kieler Hof“ und „Karstadtkoppel“.
Naja, und wie es Kieler Tradition entspricht, haben die Stadtplaner mal wieder keine Hemmungen, bisher als Kleingärten genutzte Flächen für andere Nutzungen zu überplanen: Die 12 Parzellen des „Kieler Hofs“ sollen komplett verschwinden, von den 32 Parzellen der „Karstadtkoppel“ erwischt es 9 vollständig und weitere 10 teilweise.
Und obwohl das Bauleitplanverfahren doch gerade erst begonnen und eine Öffentlichkeitsbeteiligung noch nicht stattgefunden hat, wurden die Pachtverhältnisse bereits 2021 gekündigt, und Mitte Januar 2022 begann bereits der Abriß der Lauben auf den Parzellen – nach offizieller Darstellung nicht etwa, um eine Großbaustelle vorzubereiten, sondern lediglich zur Vermeidung illegaler Müllablagerungen. Gab es nicht vor genau 8 Jahren in einer Kieler Kleingartenanlage namens „Prüner Schlag“ etwas Ähnliches, zufällig kurz vor einem Bürgerentscheid?
Besonders ärgerlich daran ist, daß gar keines der geplanten Gebäude – neue Tribünen, ein (mindestens 5-stöckiges) Parkhaus sowie ein Veranstaltungscenter – auf den ehemaligen Kleingartenparzellen errichtet werden soll; deren Fläche wird anscheinend nur dafür gebraucht, um umständlich von Norden her quer durch die noch bestehenden Grünflächen eine Erschließungsstraße zu dem geplanten Parkhaus zu führen, sowie um ein Regenwasserrückhaltbecken und einen Abstellplatz für Fahrräder mit 750 Fahrradbügeln zu errichten – der dann voraussichtlich nur in den wenigen Stunden im Jahr, während derer Heimspiele stattfinden, genutzt werden wird (gleiches gilt für das Parkhaus).

Die Kieler Grünen, als Teil der Rathauskoalition eigentlich mitverantwortlich für Bauprojekt und Bebauungsplan, haben zwar gefordert, „daß ein Ausbaubeginn des Holsteinstadions inklusive der Zufahrtsstraßen und anderen Vorbereitungsmaßnahmen nicht beginnt, bevor der Bebauungsplan endgültig beschlossen wurde“, und der Oberbürgermeister hat eben dieses der Anwohner-Initiative mündlich zugesagt; dessenungeachtet wurde aber trotzdem bereits mit dem Abriß begonnen. Vielleicht wieder ein Baggerfahrer, der die Karte falsch gelesen hat?
Worte des Bedauerns über den erneuten Verlust von Kleingärten sucht man bei der Kieler Stadtpolitik vergeblich. Ansonsten wimmelt es aber in den zu dem Bauprojekt in der politischen Sphäre formulierten Beschlüssen und sonstigen Texten von Wörtern wie „klimafreundlich“, „nachhaltig“, „Mobilitätswende“, etc. Der Grüngürtel wird weiter dezimiert, aber das soll irgendwie nachhaltig geschehen. Zitat aus einem Beschluß der Grünen: „Das Parkhaus ist zwingend zu begrünen“.
Ein weiterer ärgerlicher Aspekt dieses Bauprojektes ist, daß das Land Schleswig-Holstein und die Stadt Kiel den Um- bzw. Neubau des Holstein-Stadions mit insgesamt 30 Millionen Euro unterstützen wollen, wovon etwa ein Drittel von der Stadt Kiel kommen soll – eine stolze Summe für eine finanziell doch recht klamme Stadt. Wir erinnern uns: Für den Verkauf des „Prüner Schlags“ an den Krieger-Konzern nahm Kiel vor einigen Jahren etwa 12 Millionen Euro ein, und dies wurde damals quasi als Rettung der Stadtfinanzen gefeiert.
Mit diesen 30 Millionen Euro Steuergeldern wird ausschließlich der Profi-Fußball gefördert; nach EU-Recht müßte ein in solchem Ausmaß mit öffentlichen Geldern subventioniertes Stadion eigentlich zu mindestens 20 Prozent für die Allgemeinheit zugänglich gemacht werden, etwa für Amateursport oder andere Veranstaltungen, doch in dieser Richtung ist bisher nichts getan worden. Im Kieler Rathaus kritisieren nur die Linken diesen finanziellen Aspekt; in einer Pressemitteilung vom 16.12.2021 schreiben sie, „Während Gewinne aus Profifußball selbstverständlich in private Taschen wandern, sollen die Kosten der dafür notwendigen Infrastruktur genau wie für extreme Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen immer wieder vergesellschaftet werden“.
Ein Blick in die Stadtgeschichte
Die 12 Parzellen des „Kieler Hofs“ tragen Nummern, die bis 369 reichen, und daraus läßt sich bereits ersehen, daß es sich hier um den Überrest einer einstmals viel größeren Kleingartenanlage handelt. Der etwas seltsam anmutende Name „Kieler Hof“ verweist auf ein landwirtschaftliches Anwesen, das sich seit dem Jahr 1607 in dieser Gegend befand und im 19. Jahrhundert über eine Fläche von mehr als 60 Hektar verfügte. Die Gebäude dieses Hofes wurden im Jahr 1971 abgerissen, um Platz für den Bau der Bundesstraße B503 zu schaffen. Eine gute Darstellung der Geschichte des „Kieler Hofs“ ist zu finden unter
https://volkskunde-sh.de/2011/12/der-kieler-hof-in-kiel-ein-landwirtschaftliches-anwesen-im-staedtischen-umfeld/
Es war zunächst dieses Straßenbauprojekt der frühen 1970er Jahre und später dann der Bau der Bundesstraße B76 (Olof-Palme-Damm) in den 1990er Jahren, welche auch die nach dem „Kieler Hof“ benannte Kleingartenanlage fast vollständig zerstörten; nur zwei winzige Überreste von 10, bzw. 12 Parzellen blieben übrig, getrennt durch ein verschlungenes Gewirr von Fahrbahnen und Überflieger-Brücken. Ferner ging ein großer Teil der Kleingartenanlage „Steenbeker Moor“ verloren (siehe Karte unten).
Der in diesem Jahr anstehende 100. Jahrestag der stadtplanerischen Einrichtung des Kieler Grüngürtels, sowie auch der 125. Geburtstag des Kieler Kleingärtnervereins von 1897 (zu dem die Anlage „Kieler Hof“ gehört) wäre doch ein passender Anlaß, um des Verlustes dieser traditionsreichen Kleingartenanlage zu gedenken, aber auch um gegen den Verlust von 30 weiteren Parzellen zu protestieren.






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